Es war in der
Zeit vor Siebeck, so etwa zum Ende der Sechziger des vorigen Jahrhunderts. Die ersten
Triebe des aufkeimenden deutschen Küchenwunders steckten noch unter der Erde, Clemens
Wilmenroth verzapfte seine neudeutschen Spezialitäten noch in Schwarzweiß, und
Witzigmann stand bei Haeberlin als Praktikant am Molteni, zumindest kurz davor.
Carl Albert B., ein begnadeter Ingenieur und ein nicht minder profunder Kenner der
italienischen Küche, tafelte in seinem Stammlokal in der Ortenaumetropole. Er liebte die
Cucina casalinga, die Hausfrauenküche jenseits der Alpen, hatte sie während seiner Tätigkeit
daselbst kennengelernt und wollte sie nicht mehr missen. So war er in Straßburg im
einschlägigen Fachgeschäft Stammkunde und belieferte das obige Ristorante zum Eigennutz.
Einer der Stammgäste hatte Küchenzugang und konnte im Vorfeld beobachten, wie der
Koch aus Norditalien frische Kräuter eine geschlagene Stunde mit einem riesigen Messer auf
dem Hackklotz zu immer feinerer Konsistenz zerkleinerte. Was schlussendlich rauskam, war
eine Salsa verde, mit der gleichnamigen Grünen Sauce aus Frankfurt nur im Ursprung zu
vergleichen. Der hohe Gast verzehrte die Salsa mit Bollito misto, verschiedenem gekochten
Fleisch, ließ von der Sauce etwas übrig, und so lernte der Jünger Lukulls, dass der liebe
Gott vor den Genuss gute Zutaten, viel Arbeit und das Wissen gestellt hat.
Die Salsa der frühen Jahre ist nicht die einzige geblieben. Rund ums Mittelmeer gibt
es einige weitere kalte Saucen, meist dickflüssig, aber stets intensiv und vor allen Dingen
nach dem schmeckend, aus was sie sind. Pesto steht mit der Salsa verde sicher auf einer
Stufe, erfordert aber für eine originale Herstellung den Mörser. Ähnlich der Salsa wiederum
präsentiert sich das nordafrikanische Harissa. Eher cremiger Konsistenz ist die Tapenade aus
schwarzen, besser braunen, oder grünen Oliven gestampft und köstlicher Aufstrich aufs
knusprige Baguette. Mit der sizilianischen Crema di Oliva schickt Süditalien eine durchaus
gleichwertige Delikatesse ins kulinarische Rennen.
Eines ist allen diesen kalten Saucen und Cremes eigen: Handarbeit ist angesagt. Mit
einem Küchenmixer geriete die Salsa zu einem Matsch und niemals zu jener Mischung aus schier
mikroskopisch klein geschnittenen Zutaten, was der Köstlichkeit immer noch einen leichten
Biss belässt. Die erforderliche nahezu molekulare Auflösung der Zutaten des Pesto wie auch
der Tapenade gelingt praktisch nur im Mörser. Allenfalls ein professioneller Cutter könnte
hier das archaische Küchengerät ersetzen. Mit einem haushaltsüblichen Mixer oder gar
Pürierstab wird es nur eine halbe Sache.
Auch hier ist es wie fast immer mit dem Genuss im Grunde eine einfache Sache. Man
muss all die guten Dinge wenigstens einmal mit dem Instrumentarium der Altvordern zubereitet
haben. Dann weiß man, wie es ursprünglich einmal geschmeckt hat.
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